20.07.2009
Presseartikel aus DIE WELT vom 20.07.2009
Verbraucher beschweren sich über schlechten Service der günstigen Anbieter Von Thorsten Wiese.
Mehr als 400 Euro pro Jahr sparen - das klingt verlockend. Immer wieder machen Strompreis-Vergleichsportale im Internet mit solchen Zahlen auf sich aufmerksam. In der Regel wird dringend zum Anbieterwechsel geraten.
Erfahrungen von Verbrauchern und Verbraucherschützern zeigen aber, dass es nicht immer klug ist, nur nach dem Preis auszuwählen. Susanne Hoffmann aus Mainz zum Beispiel hat erst einmal die Nase voll von ihrem Billig-Anbieter. Im März wechselte sie vom örtlichen Standard-Stromanbieter zu einem günstigeren, nachdem sie in einer Zeitschrift Vergleichstabellen gesehen hatte. Als sie im April umzog, wollte sie den neuen Vertrag auf die neue Adresse ummelden. Damit fingen die Probleme an. ”Das geht nicht, ich müsse den alten Vertrag erst kündigen und für die neue Wohnung neu abschließen”, wurde ihr mitgeteilt. Das tat sie, schriftlich per Post. Als sie nach drei Wochen immer noch nichts von ihrem neuen Anbieter gehört hatte, rief sie erneut im Call-Center an. ”Dort hieß es: Es ist nichts angekommen”, erzählt Hoffmann. Als sie um Klärung bat, was schief gelaufen sei, meldete sich wieder mehr als eine Woche lang niemand. Erst eine Kündigung per Einschreiben mit Rückschein brachte Sicherheit. Und ein schriftlicher Widerruf des Neuauftrags - für 14 Euro per Kurier zugesandt. Verbraucherschützer kennen solche Fälle. Und sie raten deshalb nicht uneingeschränkt zum jeweils günstigsten Anbieter. Wer auf Portalen wie Verivox.de oder Toptarif.de in eine Maske seine Verbrauchsdaten eingibt, erhält eine Aufstellung der Kosten bei den für ihn verfügbaren Anbietern - und auf Platz eins stehen meist die sogenannten Billig-Anbieter. Das sind bundesweit tätige Unternehmen, die den örtlichen sogenannten Grundversorgern seit der Liberalisierung des Strommarktes Konkurrenz machen. ”Man möchte natürlich möglichst viel sparen”, sagt Christian Michaelis vom Energiereferat der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. ”Aber 95 Prozent der Fälle aus unserer Beratung, wo es Probleme beim Wechsel gibt, betreffen Billig-Anbieter.” Er rät nicht von einem Wechsel ab: ”In der Regel läuft alles glatt. Aber in den Fällen, wo das nicht so ist, wächst es sich oft zu langwierigen Problemen aus.” So kann es sein, dass die Hotline schlecht erreichbar ist und die Störung nicht telefonisch behoben werden kann. Die Gebühren für den Anruf fallen trotzdem an. Und ob der Wechsel perfekt ist und ab welchem Zeitpunkt wer liefert, bleibt ungewiss - im schlimmsten Fall buchen laut Michaelis beide Unternehmen ab. ”Die Leute werden immer wieder vertröstet”, lautet seiner Beobachtung. Er ist der Ansicht, dass den Billig-Anbietern so viele Kunden zulaufen, dass sie den Verwaltungsaufwand nicht stemmen können - und daraus organisatorische Mängel entstehen. ”Es sind immer dieselben, die uns auffallen.” Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher in Unkel (Rheinland- Pfalz) hat ähnliche Erfahrungen gemacht: ”Wir haben immer wieder Anrufe, wo die Leute sagen: ”Die buchen nur ab, da meldet sich aber keiner”.” Es seien die ”allerbilligsten”, die häufig nicht erreichbar seien. ”Die sparen beim Service”, schlussfolgert er. Wer billig anbietet, muss irgendwo sparen. Laut der Bundesnetzagentur sind zwei Drittel des Strompreises fixe Bestandteile wie Steuern oder Netzentgelte. Unternehmensspezifisch veränderbar ist nur der Rest - ”Energiebeschaffung und Vertrieb”. ”Wir können nicht sagen, warum die einen billiger sind als die anderen”, sagt Annette Solzin, Sprecherin des Bundesverbandes Neuer Energieanbieter (bne) in Berlin. Der Verband vertritt die bundesweit tätigen, neueren Strom- und Gasunternehmen, die überwiegend die Netze Dritter nutzen. Er setzt sich unter anderem für Verbraucherschutz ein. Mehrere Billig-Anbieter waren einst Mitglied, sind aber wieder ausgetreten. dpa ”95 Prozent der Fälle aus unserer Beratung, bei denen es Wechselprobleme gibt, betreffen Billig-Anbieter” Christian Michaelis, Energiereferat der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
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